Lifestyle
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Film mit Margot Robbie
Barbies Suche nach dem neuen Selbst
Von Jessica Wittmann-Naun
Veröffentlicht am 10.07.2022Lesedauer: 4 Minuten
Von der frauenfeindlichen Spielzeugpuppe zur inklusiven Pop-Figur: Der neue Barbie-Film mit Margot Robbie und Ryan Gosling könnte das Image der Puppe endgültig wandeln. Ist das überhaupt nötig?
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Die Resonanz war riesig, als Warner Bros. das erste Foto von Schauspielerin Margot Robbie in einem pinken Barbie-Cabrio veröffentlichte. Und seitdem fluten immer neue Bilder vom Filmset das Internet. Zuletzt war es Ryan Gosling als platinblonder Ken im knappen Jeans-Outfit. Für viele eine unerwartete Besetzung. Denn Gosling ist wie Robbie eher bekannt für Charakterrollen als für seichtes Entertainment. Wird der Barbie-Film etwa ganz anders, als man ihn bei Barbies Image vermuten würde?
Es ist zwar noch nichts über das Drehbuch von Greta Gerwig und ihrem Lebensgefährten Noah Baumbach bekannt, aber alles deutet darauf hin, dass der Film kein flacher Abklatsch des Barbie-Kosmos wird. Auch die Liste der weiteren Stars im Film ist beeindruckend: Will Ferrell, Simu Liu, Kate McKinnon, America Ferrera und Emma Mackey („Sex Education“) werden in einer Rolle zu sehen sein.
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Es ist also wahrscheinlich, dass die Macher der Verfilmung, die im Sommer 2023 in die Kinos kommen soll, mit der problematischen Vergangenheit von Barbie aufräumen wollen, zumindest sie aber in einem neuen Licht zeigen werden. Barbie – ihr vollständiger Name ist Barbara Millicent Roberts – kam 1959 auf den Markt. Damals war die Puppe noch Single, ihr Freund Ken wurde erst 1961 eingeführt. Und trotz ihrer Beliebtheit geriet das Spielzeug schnell in die Kritik, weil die Puppe mit extrem lange Beinen und schmalen Hüften unrealistische Schönheitsideale fördere.
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Wissenschaftler rechneten Barbies Körpermaße auf einen Menschen um und kamen zu dem Schluss, dass eine Frau mit den Maßen 99-46-84 mangels Platzes für innere Organe nicht lebensfähig wäre. Die Proportionen der Puppe wurden später zwar leicht angepasst, aber die Kritik blieb: Barbie vermindere das Selbstbewusstsein von Mädchen und fördere ein traditionelles Frauenbild. Ironischerweise hatte die Erfinderin und Firmengründerin Ruth HandlerLink wird in einem neuen Tab geöffnet die Puppe damals gezielt als Alternative zu den in den 1950er-Jahren verkauften Babypuppen entwickelt, die zum Einüben der Mutterrolle dienen sollten.
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Real-Life-Barbies
Während die erste Barbie nur einen Badeanzug trug, gab es sie später auch als Ärztin, Lehrerin oder Politikerin. Doch die Puppen der „Barbie Karriere“-Reihe sahen oft eher aus wie Männerfantasien. Es fehlte dem Konzern an Bezug zur Realität. Nun wäre zwar die Frage, inwieweit die Abbildung von Realität überhaupt die Aufgabe von Spielzeug ist – schließlich sind Trolle, Drachen oder Teddybären auch nicht sonderlich realistisch und sind Teil der kindlichen Fantasiewelt – doch die Kritik liegt oft darin, dass junge Mädchen sich mit Barbie identifizieren. Sie zeichnen sich im pinken Cabrio, wollen mit High Heels in Barbies Traumhaus leben und den perfekten Ken heiraten. Aber ist das zwangsläufig schädlich?
Welchen Hype Barbie und ihr Film auslösen können, zeigt der Trend „Barbie Core“: Megan Fox, Hailey Bieber oder Kim Kardashian – sie zeigen sich in knallpinkfarbenen Looks und werden voller Überzeugung zu Real-Life-Barbies. Dieser harmlosen Form der Nachahmung steht im Extrem übrigens eine psychische Krankheit gegenüber: Das „Barbie Syndrom“ ist der Wunsch, genau wie die Spielzeugpuppe aussehen zu wollen.
Die Konditionierung im Kinderzimmer muss zumindest berücksichtigt werden. Das hat auch Hersteller Mattel erkannt und sich zuletzt dem Thema Inklusion angenommen. Es gibt inzwischen Barbies mit allen Hautfarben, Barbies im Rollstuhl, mit Prothesen oder mit Vitiligo, der Hauterkrankung, die wir von Model Winnie Harlow kennen.
Anlässlich des Weltfrauentages 2018 gab es mit der „Sheroe“-Reihe neue Puppen, die weibliche Vorbilder wie Frida Kahlo oder die deutsch-iranische Modedesignerin Leyla Piedayesh vom Label Lala Berlin feiern. Zugegeben, bei manchen Modellen driftet der gute Vorsatz schnell ins Peinliche ab. Die „You can be Anything“-Barbie als Ärztin mit Plus Size Maßen wirkt dann doch etwas konstruiert.
Aber die Meinungen zu Barbie waren und sind immer gespalten. Kann nun ein Film über die berühmteste Puppe der Welt überhaupt funktionieren, ohne in die Kerbe der toxischen Plastik-Perfektion zu schlagen? Oder kann er vielleicht sogar helfen, Barbie ideologisch neu zu programmieren und das problematische Frauenbild hinter sich lassen?
Die Bilder vom Set versprechen zwar quietschbunte Outfits, die einer Körperverletzung nahe kommen, aber die pinke Zuckerwatten-Optik muss kein Widerspruch zu einem Film mit Anspruch und guter Story sein. Dass Entertainment und Kino im Besonderen die Chance haben, Hochglanzästhetik, Popkultur und Intellekt zu vereinen, steht außer Frage. Der Barbie-Film kann daher genauso Tiefgang haben, wie ein Schwarz-Weiß-Film trashig sein kann.
Vielleicht sollten wir über 60 Jahre nach ihrer Markteinführung der Barbie zumindest eine Chance auf ideologischen Wandel geben. Der Film kann eine Möglichkeit sein, problematische Botschaften weiter zu hinterfragen oder diese einfach als Teil der Vergangenheit zu sehen. Denn wenn wir nicht alle Themen gesellschaftspolitisch aufladen, bleibt vor allem eines: mehr Zeit, die reine Unterhaltung zu genießen.